Die Annenkapelle |
Die Interpretation des
oktogonalen Bauwerkes reicht von einer Friedhofskapelle
("überdimensionale Totenleuchte") bis hin zu einer Art Werbeplattform
("Litfaßsäule") für die ausführende Bauhütte. Historisch ist dieser
Kapellenbau wohl am ehesten auf eine Totenkapelle, ein Beinhaus,
zurückzuführen. |
Der als "Roter Zwehl" literarisch bekannte Stadtschultheiß, Landschreiber und "Verteidiger" der Stadt, Johann von Zwehl, versteckte sich im oberen Teil der Kapelle während des Dreißigjährigen Krieges vor den schwedischen Besatzungstruppen. |
In der Kapelle finden wir eine Marienstatue, die, von einigen späteren Veränderungen abgesehen, durchaus um 1300 entstanden sein kann. |
Die zweite in der Kapelle befindliche Figur der "Anna Selbdritt" ist spätgotisch. |
Momentan (Stand Anfang 2000) findet eine Komplettsanierung der Außenfassade der St. Annenkapelle statt. Bei dieser konnte durch Spezialuntersuchungen die vollständige mittelalterliche Farbgebung der Außenfassade festgestellt werden. Im Juni 2000) wird die ursprüngliche farbliche Fassung wiederhergestellt. Damit wird die Annenkapelle als ein originäres und einzigartiges Beispiel mittelalterlicher Kunst - zumindest für Thüringen und wohl auch darüber hinaus - der Öffentlichkeit präsentiert. |
Die St.-Annenkapelle der
Propsteipfarrgemeinde "St. Marien" Heiligenstadt - mit ursprünglicher
Farbgebung der Außenfassade als einzig derartiges Beispiel in Mittel-
und Norddeutschland Kürzlich (August 2000) ist die farbliche Fassung
der Annenkapelle am Heiligenstädter Kirchplatz gegenüber der
Propsteipfarrkirche "St. Marien" vollendet worden. Den weinroten
Grundton haben die Restaurateure durch ein Goldgelb - das die
plastisch herausgearbeiteten Teile wie Aufsätze, Bekrönungen,
Profilleisten, Eckvorsprünge und durchbrochene Öffnungen (Fenster,
Nischen) absetzt - unterlegt. Zahlreiche Besucher und Einheimische
fragen sich seither, was mit diesen Renovierungsarbeiten bezweckt
wird. Annenkapelle mit wiederhergestellter Bemahlung im August 2000Von
nicht wenigen Mitbürgern wird die Meinung vertreten, daß die Gelder
bessere bzw. sinnvollere Verwendung fänden sollten als für diese
"Verhunzung", die besonders im Gegensatz zu der in unmittelbarer Nähe
befindlichen Kirche, die in ihrer jetzigen durch den Naturstein
(Sandstein) geprägten Außenfassadengestaltung belassen wird, steht und
manchen Passanten unliebsam "ins Auge sticht". Dieser bislang
ungewohnte Umgang mit ursprünglichen Baubefunden sei an dieser Stelle
näher erläutert. Propst Heinz Josef Durstewitz fand bei
Aufräumarbeiten auf dem Sakristeiboden der Altstädter Pfarrkirche eine
künstlerisch recht wertvolle und ansprechende Skulptur der Mutter
Gottes, die ehemals an der Südseite in einer zentral angeordneten
Nische der Annenkapelle, geschützt vor Unwetter, Platz fand. Schon mit
dem bloßen Auge waren flächig gut erhaltene mehrfarbige Fassungen
erkennbar. Die sich anschließenden von Spezialisten vorgenommenen
Untersuchungen ergaben eine zeitliche Einordnung dieser polychromen
Reste um das Jahr 1300. Die nach Norden weisende Nische einschließlich
der darin eingebrachten Marienplastik nimmt nach den Vorstellungen der
im Mittelalter lebenden Menschen eine übelabweisende Aufgabe,
Wertigkeit bzw. Symbolik ein, da man im Norden das "Reich des Bösen"
vermutete. Zukünftig soll die Sandstein-Madonna wieder ihre
angestammte Position in der Außennische bekommen. Auch die nähere
Begutachtung der Kapelle ließ derartige Farbspuren entdecken.
Sachverständige der Denkmalpflege und hinzugezogene Wissenschaftler
stellten fest, daß sie seinerzeit - um 1350 und später - außen
vollständig bemalt gewesen ist. Einschlägige Gremien von Experten
rieten nachdrücklich zu einer Erstellung des ehemaligen originären
Zustandes. Der Kirchenvorstand von "St. Marien" in enger
Zusammenarbeit und Kooperation mit den Fachleuten der Stadt Heilbad
Heiligenstadt, des Landkreises Eichsfeld und des Freistaates Thüringen
entschloß sich, die erste und älteste Farbfassung zu rekonstruieren,
um diese einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Zu diesem Zweck
flossen vom Land Thüringen 60.000 DM Denkmalpflegemittel, die in der
ersten Phase der vollständigen Sanierung größtenteils für das Ersetzen
von Bruchstücken verwendet wurden; dieses mußte ohnehin erfolgen.
Analog zur Kapelle war die Propsteikirche im 14. Jahrhundert mit einem
Außenanstrich in Weiß, Rot, Blau und Gelb im "Geschmack der Zeit"
versehen gewesen. Dieses wirkt für den heutigen Betrachter meist grell
("kaugummifarbend" , "poppig"), vielleicht sogar "kitschig". Aber
nicht nur ästhetische Gründe sprachen für diese Gestaltungsart. Der
relativ rasch verwitternde Sandstein konnte mit solchen
"Schutzschichten" optimal vor den Zerfall bewahrt werden. Ohne diese
Vorsichtsmaßnahmen wären wohl viele Gotteshäuser und andere
altehrwürdige Repräsentationsbauten (z. B. Rathäuser) schon längst
vergangen und in der Gegenwart nicht mehr erhalten. |